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Des Deutschen Lieblingsbeschäftigung nach dem Grillen von Schweineschwarten: Fernsehschauen.

Derzeit der Renner: Die "ultimativen" Shows. Ob es ultimative Werbeclips, Comedies, Schlager oder Serienhits sind. Hauptsache "ultimativ". Das heißt nachdrücklich und meint wohl, daß nichts Besseres nachkommt. Wie bedauerlich. Auf jeden Fall Sendungen mit enormen Straßenfegerqualitäten. Für diejenigen, die sich sowieso nicht mehr auf die Straße trauen. Womöglich.

Der nachmittägliche Talkshowschwachsinn ist natürlich immer für eine Glosse gut. In einer Abart davon werden neuerdings dauernd Leute bestraft. Strafgericht, Jugendgericht, Familiengericht; lauter Richter verkünden dort tatsächliche Urteile bei nachgestellten Strafverfahren mit bemerkenswert miserablen Laiendarstellern, die man schon allein wegen fehlender Schauspielerqualitäten verknacken müßte.

Ich stelle mir das so vor: In einer Talkshow berichteten einst Ex-Knackis von ihrer schweren Jugend/Kindheit und irgendein findiger Produzent dachte, man könne doch daraus eine Sendung machen, "Wie werde ich zum Exknacki". Der Weg dorthin geht über eine Straftat, also wird die Serie mit dem Strafgericht gedreht.

Hier war wieder ein kreativer Kopf recht einfallsreich und überlegte, wie man Fetzen davon als Recycling-TV benutzen könne und schon war eine meiner derzeitigen Favoritensendungen geboren: Die Super Nanny. Da kann man als Sozial-Voyeur im Sessel flacken und sich die ganzen maroden Stützen der Gesellschaft, früher nannte man das Familien, genau anschauen. Überforderte Mütter mit anspruchsvollen, frechen Blagen, die mit Game Boys um sich schmeißen, weil sie nicht wissen, wie man in dieser bösen, bösen Welt das Spiel wechselt.

In ein paar Jahren kann man den Game Boy-Schmeißer vor dem Jugendgericht sehen und ein bissel später vor dem Familiengericht und zwischendrin kann er in einer Talkshow auftreten und ein wenig jammern. Noch später kann man das als "ultimative Peinlichkeit" spätabends servieren, wenn einem nach der zweiten Weinschorle sowieso schon alles egal ist.

Meine absolute Lieblingssendung ist aber "Frauentausch". Ein gewaltig mutiges, soziologisches Experiment, bei dem selbst "Big Brother" zum Haustierzoo verblaßt.

Beim Frauentausch werden ganz normale Familientiere in eine andere Familie verbannt, müssen dort 10 Tage lang als Mutter, Hausfrau, Putzfrau, Entertainerin oder ähnlich entgleisen, müssen das ernst nehmen und hinterher darüber sprechen. Es wird grundsätzlich jedesmal geweint, wenn die getauschte Mammi ihre daheim gebliebene Brut auf Video sieht. Die hockt auf dem heimischen Sofa und stammelt Liebesbekenntnisse in die Gummibärchentüte oder es heulen die Ehemänner, denen vor lauter Überforderung, sich auf ihre eigene Familie einzulassen, der Kloß über dem Hosenbund spannt. Die Kinder sind meistens halsstarrige Monster, die sich nicht von ihren Ritualen lösen können, sind zu faul zum Aufräumen und die Mütter mit der Sauberkeit, Tagesplanung, den Erziehungsmethoden der jeweils anderen natürlich nicht zufrieden. Im Nachgang dürfen sich die beiden Amazonen persönlich auf neutralem Terrain die Meinung um die Ohren schlagen und mutieren dort zu antisozialen Kampfschweinen.

Es gibt derzeit keine gelungenere Kombination von Anmaßung, Besserwisserei und Disziplinlosigkeit. Da ist man ganz nah an des Menschen Unbarmherzigkeit.

10 Tage reichen in den meisten Fällen, daß man auch die häßlichsten Verhältnisse wieder schätzen lernt. Vielleicht hatte Mao ja recht, als er jeden einmal im Jahr auf einem Reisacker schuften ließ, damit er geläutert in seine 1-Zimmer-Papierschachtel zurückkehrt.

Und jetzt wieder der Produzent: Die Kinder werden von der Super Nanny auf die Spur gebracht, die Ehepaare kommen in eine Beratungs-Show, Die Klugen werden in einer Familien-Quiz-Sendung verbraten und die Haustier-Nanny doziert beim Frühstücksfernsehen darüber, warum diese Menschen niemals eine Katze haben dürfen.

Was für ein Potential.