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Zu den wichtigen Dingen im Leben gehört, daß man weiß, wo man hingehört. Das geht am sichersten in einem eigenen Haus. Wie kriegt man das?

Man sucht sich einen Platz und erkundigt sich, wie man da bauen darf.

Zuerst geht man jahrelang auf Bau- und Handwerkermessen, glotzt ungeniert in fremde Wohnungen, wälzt Kataloge und abonniert Wohnzeitschriften. Irgendwann guckt man auf sein Sparkonto und hofft, der Mensch auf der Bank sei ein Mensch geblieben und würde den Kredit genehmigen.

Jetzt könnte es eigentlich losgehen.

Wenn man da nicht die Bebauungspläne wären. Das sind die Unterlagen, die beschreiben, wie gängige Vorschriften, auch notwendige, umgesetzt werden sollen. Die weiteren Beschreibungen variieren von Gemeinde zu Gemeinde und beschreiben, wie eintönig das neue Baugebiet auszusehen hat. Es gibt wirklich Menschen, die befassen sich mit der Dachneigung. Sind das nun 30 Grad oder dürfen es auch 32 Grad sein? Darf man da eine Gaube hineinbauen oder muß alles rot sein? Darf ich auf ein rotes Dach blaue Solarmodule montieren? Es gibt auch Leute, die legen Farben für die Fassade oder die Dachausrichtung fest. Warum darf ich kein Flachdach bauen und dort wachsen dann Hauswurzen? Oder Spinat? Warum müssen Fenster immer eckig sein? Warum darf man keine Mauer um sein Grundstück bauen, damit der beißwütige Nachbarsköter draußen und die Katze folglich gesund bleibt?

Warum?

Da redet fast die halbe Welt von der wünschenswerten Entrümpelung irgendwelcher Vorschriftenwerke und dann so was.

Es ist eine unglaubliche Chance für jedes Dorf und jede Stadt: Ein Baugebiet, das ganz wenig maßregelt. Eine Siedlung, vielfältig wie die Leute, die man sich wünscht. Lebendig, anregend, witzig. Gedankenspiel: Die Außenmaße liegen fest. Die Sicherheitsvorschriften sind gewahrt. Und der Rest? Scheißegal!

Bunt, rund, eckig, gewagt, experimentell oder kotzlangweilig. Macht doch was ihr wollt, ihr müßt es ja bezahlen.

Und wem es nicht gefällt, der guckt woanders hin.

Damit könnte man Architekten, Touristen, Investoren und andere Schaulustige an den Ort der Kreativität holen, könnte berühmt werden, ob seiner Liberalität, seines Mutes, könnte frischen Wind in ein lebendiges Kunstwerk holen. Könnte in diesem Kunstwerk einfach leben.

Und der Straßenname? Gibt es nicht. Die Siedlung heißt „Im Freistil" und wird einfach durchnummeriert.

Geht alles. Entschuldigung: Ginge alles.