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Es war einmal über eine kleine, fast idyllische Gemeinde folgendes in der Zeitung zu lesen: Die vom einheimischen Volk gewählten Räte trafen sich zum Besprechen wichtiger Anliegen. Diese Anliegen sind nicht außergewöhnlich, denn überall sind die Leute irgendwie gleich. Die Leute wollen's sauber, ruhig, sicher und bequem. Sonst nix. Doch.

Manche wollen es auch für alle so, wie sie es selber wollen. So ähnlich wie Besserwisserei oder Tyrannei. Wenn man böse sein möchte.

Wollen wir mal nicht.

Ernste wiederkehrende Anliegen sind die Sauberkeit und die Ruhe. Manche Menschen denken, Laub oder Äste auf der Straße, zumal nach einem Sturm, sei Dreck. Deshalb wollen sie die Bäume fällen. Das leuchtet ein. Denn wenn man zu der Sauberkeit auch noch den Lärm nimmt, macht so ein Baum ja gehörig Krach. Dieses Blätterrauschen. Schwindlig wird's hinter der Stirn und der Rest des Denkvermögens kauert verängstigt in einer Windung. Für diese Menschen sind Wohnblöcke erfunden worden mit diesen Teerflächen vornedran und den Waschbetonblumenkübeln, die keiner bepflanzt, weil jeder hineinpinkelt und seine Kippen darin ausdrückt. Absolut sturmsicher und mit Hochdruckreiniger flott mal zu säubern. Warum gehen die da nicht hin?

Sicherheit ist auch gut. Meistens geht es um Leute, die ihren Tacho nicht lesen können, weil sie in Hubraum anstatt in Bildung investiert haben und deshalb reihenweise Haustiere und kleine Kinder ummähen. Wenn's dann mal blöd kommt.

Darüber reden die Räte.

Um diesen Deppen das Rasen zu erschweren, wird zum x-ten Male die saublöde Idee einer Verschmälerung der Straße wiedergekäut. Meine Herren, wie wäre es mit ein bißchen Psychologie? Ein flüchtiger Blick in verleimtes Papier, genannt „Buch" offenbarte einige förderliche Details. Es ist doch so, daß ein Raser gerne rast und nicht aus Versehen. Je schmäler die Straße ist, desto eher fühlt es sich nach noch mehr Rasen an. Das hat was mit Wahrnehmung zu tun. Das macht doch noch viel mehr Spaß! Ein professioneller Raser ist von seiner Spitzenfähigkeit bei der Autofahrerei überzeugt und würde sich bei jeder Befragung nach Fahrtechnik selbst auf Platz 1 setzen. So einer läßt sich von Unübersichtlichkeit nicht aufhalten. Das ist doch für den ein spannendes Hindernisrennen.

Die Räte denken wie sinnlich behinderte Menschen. Wie ein Blinder, der sich herantasten muß: Wer nichts sieht, wird aufpassen.

Der Raser denkt, WEIL er nichts sieht, IST da auch nichts. Deshalb wird das angedachte Verschmälern, das Zustellen mit Blumenkästen, das Schieflegen von Parkplätzen rein gar nichts bringen. Außer, daß mal wieder was häßlich ist.

Jeder rasende Schwachkopf hat vielmehr Angst um seinen Unterboden, samt Auspuffrohren und Wagenfarbenluftleitblech, als Lust, eine armselige Minute früher am Zielort zu sein. Hier Einhaken bitte!

Da lohnte sich doch ein Blick ins Nachbarland. Fährt man durch ein gemütliches elsässisches Kaff, kann man aufgrund der dortigen Verkehrsberuhigung gar nicht schnell fahren. Die haben riesengroße Kopfsteinpflasterbodenwellen auf die Straße gemacht. Alles ist großzügig, übersichtlich und jeder fährt ganz langsam, weil es auch so schön ist, wenn etwas großzügig ist. Es ist nicht schön, wenn etwas unübersichtlich, kleinkariert und verschachtelt ist.

Ich lebe doch nicht in einem Wimmelbild.