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Fernsehprogrammzeitschriften von heute wiegen mindestens 500 Gramm. Warum? Weil zu jeder Sendung der vielen, vielen Programme ein kleiner Satz dazu geschrieben sein will und ein Bildchen dazugeklebt. Teaser nennen das die Werber. Diese Bildchen zeigen entweder den gut gekämmten Nachrichtensprecher, oder das breithüftige Giraffenschnütchen, das ein Boulevardmagazin moderiert.

Die Bildchen bei den Spielfilmen zeigen, je nach Kategorie, die leidende oder lüsterne Hauptdarstellerin oder den verdreckten Actionheld, bei dessen Verletzungen, trügen wir sie davon, der Herr Pfarrer zu spät in die Notfallambulanz käme. Jeder kennt das. Alle blättern auf dem Klo das Programm durch und gucken Bildchen.

Boulevardmagazine und Nachrichten werden von manchen nicht wegen der Themen angeschaut, sondern wegen des Sprechers oder der Moderatorin. Deshalb sind Moderatoren heute so berühmt, dass sie Werbung für Schnellkredite oder Versicherungen machen dürfen. Manche Nachrichtensprecher binden den redaktionellen Papierkorb zum Buch und werden reich. Aber das nur am Rande.

Alle Filme werden von einer Cineasten-Redaktion, oder was sich dafür hält in TV-Zeitschriften nach Tauglichkeit beurteilt. Ein Cineast ist einer, der früher als Teenager keine Freunde hatte und deshalb sein ganzes Taschengeld in Kinokarten verballert hat; und heute jemand, der Sean Connery richtig aussprechen kann und bei dreimal raten herausbekommt, dass „Nouvelle vague" zwei französische Wörter sind, die sogar etwas bedeuten.

Bei der Tauglichkeitsbeurteilung sind drei gefüllte Bällchen, wahlweise Sternchen der Tagestipp. Je mehr hohle Bällchen dabei stehen, desto schrottiger ist der Film. Nach Meinung dieser Fachleute. Nur, was beurteilen die? Den Unterhaltungswert? Die Schönheit der Schauspieler oder der Landschaft? Die Weisheit der Geschichte oder den Bekanntheitsgrad des Regisseurs? Wer weiß das? Kann es sein, dass ein Unterwasserfilm über den grindigen Schlammschlotzer drei volle Punkte kriegt und ein sauber durchgestylter Porno drei hohle? Und abgesehen von der Pikanterie dieser Formulierung, gibt es einen Menschen, der das Programm anguckt und sagt: „Heute will ich die volle Punktzahl anschauen"?

Jeder schaut was er braucht und nachts sind es die Hohl-Bällchen-Filme, die nicht nur deshalb so oft wiederholt werden, weil man dadurch Werbung für Baumärkte, Werkzeuge oder Mops-Telefonnummern gewinnbringend an den Nachtglotzer bringen kann. Auch nicht weil man den Menschen endlich diese filmische Preziose ans Herz legen will. Sondern weil es genau diese Filme sind, die es ehrlich verdient haben, nach einer langen Woche mit Klamotten, die kein Obdachloser mehr annehmen würde in gynäko-urologisch kostbarer Haltung vor dem TV zu flegeln und dort Artgenossen zuzuschauen, wie sie ihre Probleme durch Nachladen lösen. Einfach ein neues Magazin und das Problem hat sich wahlweise in Fetzen gelegt, in Luft aufgelöst oder ist im Erdboden verschwunden.

Zerstreuung ganz wörtlich.