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Eine Woche Toskana, hach! Und dann immer wieder. Diese romantischen Erwartungen eines friedlichen, harmonischen Landlebens im Einklang mit den Weintrauben und dem froschgrünen erstgepressten Olivenöl, das man sich auf knuspriges Weißbrot träufelt und ein paar Salzkörner Marke "extragrob" drüberbröselt. Und dazu mit einem umwerfenden Trebbiano im schartigen Becher seine Gemeinheiten bereuen, die man in der Heimat noch schnell vorm Urlaub verbrochen hat. So sieht Harmonie aus.

In einer Woche Toskana kann man lernen, daß da früher die Etrusker waren, deren gedankenlose Brut den Namen so verschandelt hat, dass nur noch "Tuscan" übrigblieb. Diese Nachkommen haben dann mit der Kämpferei und diesem langweiligen Übers-Meer-Segeln, Brandschatzen und Erobern aufgehört und Wein angebaut. Ein paar davon haben aus Steinen nackte Menschen und gefährliche Tiere gehauen und dabei erstaunliche Detailtreue bewiesen, was Gesichter und Geschlechtsteile angeht. 

Sagt man in einer Runde "Toskana", erzählt mindestens einer ganz verträumt mit diesem außerirdischen Kiffer-Lächeln von den Natursteinhäuschen mit den niedlichen Zypresselchen und den Weinbergen und dem Olivenhain. Dazu legt er den Kopf in den Nacken als betrachte er gerade eine dieser Statuen mit der Detailtreue und produziert von ganz unten ein Geräusch, wie es kleine Kinder machen, wenn man ihnen ihren Lieblingspudding kocht.
Wenn man nicht kifft, grast man Florenz, Pisa, Siena und Lucca ab und überlegt bei einem unverschämt teuren Eiskügelchen an welchen Diktator man zum Spaß Siena verkaufen würde, weil die Einwohner dort ohnehin ans Verstecken gewohnt sind. 
Man trampelt in Pisa die öffentliche Grünfläche platt um den ganzen afrikanischen Uhrenhändlern auszweichen und muß schallend lachen angesichts der Preisvorstellung die man dort hat, um den schiefen Turm zu besteigen. Man muß nicht alles besteigen, was sich einem entgegen neigt. 
Praktisch ist, dass ohne schiefen Turm der kluge Galileo keine Sachen hätte herunterwerfen können, um Formeln zu berechnen, die auch auf einem geraden Turm funktionieren. Er wäre womöglich gestürzt. Worauf man angesichts der weniger schwindelfreien Turmbesteiger bei einem weiteren Eiskügelchen warten und ohne Weiteres noch einen vernichtend kleinen Kaffee trinken kann.
Ehrlich schön ist Florenz. Da steht das Bildungsbürgertum aus Mitteleuropa stundenlang vor den Uffizien, wartet auf Einlaß und vertreibt sich die Zeit, im Reiseführer schon mal auswendig zu lernen, was sie gleich anschauen werden. Da macht es doch viel mehr Spaß, mit einem Sightseeing-Bus so lange herumzufahren bis man auf's Klo muß, weil man dabei auch riechen und hören kann und ein leidlich sadistischer Busfahrer kann ganze Reisegruppen auf der Straße zum Hüpfen bringen. Erst nach Florenz kann man sich wieder trauen, die Ohren aufzumachen vor lauter Lärm, sehnt sich nach der toskanischen Stille, nach einem Trebbiano oder Chianti oder irgendetwas, wovon Toskana-Fans immer sprechen. Irgendein Zauber oder ein Joint.
Zur Entspannung kann man aber auch nachts einen Berg hinauffahren, um die Gegend von oben anzugucken. Las Vegas fällt einem ein, das man auch schon staunend nachts betrachtet hat. So viele Lichter, das ganze Tal voll davon. Da kriegt man eine leise Vorstellung, wie eng diese Natursteinhäuschen mit den niedlichen Zypresselchen wirklich aneinander stehen.
Wenn man also keine Stille erwartet und keine Gemütlichkeit, ist man hier richtig. Wenn man sich einbildet, die ganzen Olivenhaine, Obstplantagen und Weinberge kämen ohne lautes, schweres Ernte- und Bearbeitungsgerät aus, ist man da auch richtig.
Wenn man kifft.
Vor kurzem beichtete mir ein knüppelharter Jungentscheider, der heimlich lieber ein zärtlicher Olivenölerstauspresser wäre, dass es in Umbrien oder Kalabrien echt idyllisch sein soll. 
Na denn.